Verschärfung des Waffenrechts

"Bundesinnenminister Thomas de Maizière

schließt nach der Bluttat von München eine Verschärfung des Waffenrechts nicht aus.", so die Nachrichten nach dem Amoklauf in München (Juli 2016). Die Absichten des Ministeriums wurden am 24.8.16 abgefragt (hier)und am Folgetag (!!!) wie folgt beantwortet:

Sehr geehrter Herr ...,

vielen Dank für Ihr fortgesetztes Ineresse an einem Meinungsaustausch mit dem Bundesministerium des Innern, nunmehr zu den in Deutschland geltenden waffenrechtlichen Regelungen und deren bevorstehenden möglichen Änderungen aufgrund diesbezüglicher Rechtsetzung durch die Entscheidungsgremien der EU.

Gern mache ich Sie ausführlicher und des besseren Verständnisses wegen vollständig mit dem derzeitigen Sachstand in dieser Angelegenheit vertraut:

Die Europäische Kommission hat am 18. November 2015 den Entwurf einer Richtlinie zur Änderung der sog. EU-Feuerwaffenrichtlinie (Richtlinie des Rates vom 18. Juni 1991 über die Kontrolle des Erwerbs und des Besitzes von Waffen (91/477/EWG), geändert durch Richtlinie 2008/51/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. Mai 2008) vorgelegt. Die Veröffentlichung der bei der Kommission schon seit längerem in Vorbereitung befindlichen Änderungsvorschläge wurde unter dem Eindruck der jüngsten Anschläge in Paris im November 2015 beschleunigt. Die Kommission hat ihre Änderungsvorschläge auf dem Rat der Justiz- und Innenminister am 20. November vorgestellt.

Die Vorschläge der Kommission wurden seitdem mit dem Ziel einer zügigen Beschlussfassung im Rat der Europäischen Union und im Europäischen Parlament beraten. Das Bundesministerium des Innern begrüßt, dass die Kommission einen Entwurf für die Änderung der Feuerwaffenrichtlinie vorgelegt hat und hat sich aktiv an den vorgenannten Beratungen beteiligt.

Der Rat hat am 10. Juni 2016 eine Allgemeine Ausrichtung auf Grundlage einer geänderten Entwurfsfassung beschlossen. Auch Deutschland hat dieser Entwurfsfassung als Grundlage für das weitere Verfahren, in dem eine weitere Präzisierung bestimmter Vorschriften erfolgen muss, zugestimmt. Insgesamt setzt sich die Bundesregierung für Regelungen mit Augenmaß ein, die einen tatsächlichen Sicherheitsmehrwert versprechen. Weil die Änderung der Richtlinie durch eine Mehrheitsentscheidung in Rat und Parlament erfolgt, ist bei den Verhandlungen auch ein Eingehen auf die Wünsche anderer Mitgliedstaaten unerlässlich.

Der Ratsentwurf sieht insbesondere folgende Regelungen vor:

Das Europäische Parlament, der Rat der Europäischen Union und die Europäische Kommission werden im weiteren Verfahren auf der Grundlage ihrer jeweiligen Entwürfe nach einem für alle Seiten zustimmungsfähigen Kompromiss suchen, der voraussichtlich im Herbst dieses Jahres von Rat und Parlament verabschiedet werden soll. Die neuen Vorgaben der Richtlinie sind im Anschluss von den Mitgliedstaaten in ihren nationalen Vorschriften umzusetzen, bevor sie für Waffenbesitzer Geltung beanspruchen.

In mehreren Punkten entspricht das deutsche Waffenrecht bereits den künftig vorgesehenen Regelungen des europäischen Rechts. Beispielsweise entsprechen die Regelungen zur Aufbewahrung von Schusswaffen und Munition sowie zur periodischen Überprüfung des weiteren Vorliegens der Erlaubnisvoraussetzungen bereits den derzeit in der Richtlinie geplanten Vorgaben. Welcher Änderungsbedarf in Deutschland besteht, kann erst abschließend beurteilt werden, wenn das Änderungsverfahren auf europäischer Ebene abgeschlossen wurde.

Ein Zusammenhang der Änderungsvorschläge der Kommission mit der Bekämpfung des Terrorismus besteht jedenfalls insoweit, als bei dem Anschlag auf die Redaktion von Charlie Hebdo die Täter eine wieder schussfähig gemachte Salutwaffe aus einem anderen EU-Mitgliedstaat besessen haben. Salutwaffen sind ursprünglich scharfe Schusswaffen, die so modifiziert wurden, dass aus ihnen nur noch Schreckschussmunition verschossen werden kann (die also nur noch einen Knall produzieren können). Aufgrund teils unzureichender technischer Umbaustandards im Ausland ist eine Wiederherstellung der Schussfähigkeit von Salutwaffen nicht immer ausreichend erschwert. Eine Regelung, die im Kern eine Erlaubnispflicht auch für Salutwaffen enthält, ist daher geeignet, die freie Verfügbarkeit entsprechender Waffen zu reduzieren.

Im Zusammenhang mit dem Anschlag in München wurde aus diesem Regelungsvorhaben insbesondere der Aspekt einer besseren Kontrolle und strengeren Regulierung des Internethandels hervorgehoben. Die EU-Feuerwaffenrichtlinie sieht im Hinblick auf Fernabsatzgeschäfte (wozu insbesondere der Online-Handel zählt) bislang lediglich vor, dass die „Mitgliedstaaten gewährleisten, dass außer im Falle von Waffenhändlern der Erwerb von Feuerwaffen, Teilen und Munition […] streng kontrolliert wird“. Die Einhaltung dieser sehr vagen Vorgaben hat sich insbesondere im Hinblick auf grenzüberschreitende Sachverhalte als schwierig erweisen. So werden in anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union Waffen erlaubnisfrei zum Verkauf angeboten und versandt, deren Erwerb und Besitz in Deutschland der Erlaubnis bedarf. Dies kann zu Missverständnissen führen, ermöglicht aber auch die bewusste Ausnutzung unterschiedlicher Regelungen, um ohne Erlaubnis in den Besitz von Waffen zu gelangen. Um den sich daraus ergebenden Problemen zu begegnen, werden Verpflichtungen der Vertragsparteien zur Identitäts- und Berechtigungsprüfung, die Einschaltung von Händlern oder Behörden in Fernabsatzgeschäfte zwischen Privaten aber auch Beschränkungen des Fernabsatzhandels geprüft. Entsprechende Überlegungen stellen keine Kriminalisierung von Waffenbesitzern dar, sondern zielen darauf ab, ein Abgleiten legal besessener Waffen in die Illegalität zu verhindern.

Zudem wurde auf ein nationales Gesetzgebungsverfahren zur Änderung des Waffengesetzes hingewiesen, mit dem insbesondere eine Anhebung der Aufbewahrungsstandards von Waffen und Munition angestrebt werde, um das Abhandenkommen legaler Waffen zu verhindern.

Die 2003 in das Waffengesetz aufgenommenen Regelungen, wonach Waffen und Munition grundsätzlich in Sicherheitsbehältnissen aufzubewahren sind, haben sich zwar insgesamt bewährt. Anpassungsbedarf besteht jedoch insbesondere hinsichtlich der technischen Vorgaben zur sicheren Aufbewahrung von Waffen und Munition, die derzeit auf teils veraltete technische Normen verweisen und in Teilen ein unzureichendes Sicherheitsniveau aufweisen. So hat der Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA) die derzeit im Waffengesetz angeführte Norm VDMA 24992 bereits zum Jahresende 2003 zurückgezogen. Seitdem findet insoweit keine Marktüberwachung mehr statt. Damit ist zum einen nicht gewährleistet, dass seitdem auf den Markt gelangte Sicherheitsbehältnisse auch tatsächlich den Anforderungen dieser Norm entsprechen. Der Wegfall der Marktüberwachung hat bereits in Stichproben erwiesen, dass als „Normschränke“ (oft mit entsprechender Ausweisung, Kennzeichnung bzw. Plakettierung) Behältnisse auf dem Markt und in Verwendung sind, die deutlich hinter den Anforderungen der VDMA-Norm 24992 zurückbleiben. Zum anderen hält die Gleichwertigkeitsfiktion des § 36 Absatz 2 Satz 1, 2. Halbsatz, mit der Behältnisse der Sicherheitsstufe B nach VDMA 24992 mit Stand Mai 1995 für gleichwertig mit Behältnissen der Norm DIN/EN 1143-1 Widerstandsgrad 0 erklärt wurden, nicht der Realität stand, wie Experten mit Hinweis auf Experimente zur Öffnungs- und Aufbruchssicherheit geltend machen. Daher wird eine Streichung der Norm VDMA 24992 aus dem Waffengesetz unter Beibehaltung des dort genannten DIN-EN-Standards angestrebt. Dies eröffnet zugleich die Möglichkeit einer Vereinfachung der Aufbewahrungsregelungen dahingehend, dass die getrennte Aufbewahrung von Schusswaffen und Munition, die bislang bei der Verwendung bestimmter Sicherheitsbehältnissen für erforderlich angesehen wurde, entfallen kann. Die Regelungen zur Aufbewahrung werden damit insgesamt einfacher und anwenderfreundlicher gestaltet. Das Risiko einer absichtslosen fehlerhaften Aufbewahrung von Schusswaffen und Munition, das in der Vergangenheit mehrfach zu Verstößen gegen das Waffengesetz und in der Folge zur Entziehung waffenrechtlicher Erlaubnisse wegen Zweifeln an der Zuverlässigkeit der Erlaubnisinhaber geführt hat, sinkt dadurch.

Den berechtigten Belangen der Besitzer von Sicherheitsbehältnissen, die nicht den neuen Anforderungen entsprechen, wird durch Übergangsregelungen Rechnung getragen. Entsprechende Überlegungen stellen keine Kriminalisierung von Waffenbesitzern dar, sondern zielen darauf ab, ein Abgleiten legal besessener Waffen in die Illegalität zu verhindern.

Sehr geehrter Herr ..., ich darf abschließend meiner Hoffnung Ausdruck verleihen, hoffe, dass diese Informationen geeignet sein werden, dass Sie sich nunmehr ein umfassendes Bild über die in Rede stehenden Änderungen sowie deren Hintergründe und die dabei zu berücksichtigenden Erfordernisse machen können.

Mit freundlichen Grüßen
Im Auftrag
Bundesministerium des Innern
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